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Schwarmverhalten in Sachsen – Wie sieht die Zukunft der sächsischen Kommunen aus?

23. Juni 2016

Borna, Döbeln, Stollberg/Erzgebirge, Bautzen, Markranstädt, Eilenburg, Wurzen, Hohenstein-Ernstthal, Mittweida, Delitzsch und Bischofswerda sind „Versteckte Perlen“ ­– Präsentation der empirica-Studie „Schwarmverhalten in Sachsen“

Dresden, 23. Juni 2016. Die Sächsische Aufbaubank – Förderbank – (SAB), der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG) und der vdw Sachsen Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V. (vdw Sachsen) präsentierten heute die Ergebnisse der gemeinsam beauftragten empirica-Studie zum Thema „Schwarmverhalten in Sachsen“.

Hintergrund der Studie

Die Entwicklung der Einwohnerzahlen in Leipzig und Dresden, die nach Jahren des Rückganges wieder stark gestiegen sind, führen zu Diskussionen der Wohnraumversorgung in den Ballungszentren. Gleichzeitig sank die Einwohnerzahl des Freistaates Sachsen mit leichter Rate, sodass das starke Wachstum der beiden größten Städte des Landes aus einer Umverteilung der Bevölkerung innerhalb Sachsens herrühren muss. „Diese Umverteilung der Bevölkerung zulasten fast aller Landesteile und zugunsten ausgewählter Städte nennen wir Schwarmverhalten. Der Begriff deutet an, dass aus allen Landesteilen einzelne Personen wie Vögel aufsteigen, einen Schwarm bilden und dieser sich in ausgewählten Schwarmstädten niederlässt“ erklärt Prof. Dr. Harald Simons, Vorstand der empirica AG.

Schwarmstädte und Wachstumsstädte im Freistaat Sachsen

Insgesamt existieren in Sachsen vier Schwarmstädte: Leipzig, Dresden, Freiberg und Chemnitz, die von 2009 bis 2014 eine Kohortenwachstumsrate von mehr als 200 nachwiesen. Neben den Schwarmstädten gewinnen weitere neun Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern durch das Schwarmverhalten Einwohner hinzu. Dies sind zum einen Gemeinden im direkten Umland von Dresden und Leipzig (Freital, Radebeul, Markkleeberg), die als Erweiterung der Schwarmstädte angesehen werden können. Zum anderen sind dies Meißen, Görlitz, Plauen, Pirna, Glauchau und Zwickau, bei denen grundsätzlich von einer eigenen Anziehungskraft gegenüber ihrem eigenen Hinterland auszugehen ist.

Elf der 24 Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern verlieren dagegen Einwohner durch Wanderungen. In Döbeln, Bautzen, Zittau, Coswig und Delitzsch ist der Verlust noch moderat. Annaberg-Buchholz, Werdau und Limbach-Oberfrohna verlieren schon deutlich stärker Einwohner. Sehr stark verlieren die Städte Riesa und Grimma. Die Stadt Hoyerswerda kann aufgrund einer Kohortenwachstumsrate von nur 39 (d.h. von 100 dort aufgewachsenen Personen werden 61 die Stadt im Saldo verlassen) möglicherweise zu einer Gruppe von Gemeinden gehören, bei denen von einer Fluchtwanderung ausgegangen werden kann.

In der Gemeindegrößenklasse bis 20.000 Einwohner haben Rötha, Taucha, Heidenau, Wülknitz, Schneeberg, Großschweidnitz, Radeberg, Schkeuditz, Kreischa, Glaubitz, Aue, Zwenkau, Arnsdorf, Weinböhla und Borsdorf eine Kohortenwachstumsrate von über 100. Allerdings sind von diesen Gemeinden neun im direkten Umland von Leipzig oder Dresden, weitere drei beherbergen besondere Einrichtungen (Medizinische Versorgungseinrichtung von überregionaler Bedeutung, Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber).

„Versteckte Perlen“

Das Schwarmverhalten führt zu einer Konzentration der Einwohner in Schwarmstädten und zu einem Rückgang der Einwohner in anderen Städten und Regionen. Der Wanderungsverlust bildet sich dabei aus einer Summe verschiedener Wanderungsströme. Dabei existieren Gemeinden, die auf der einen Seite zwar Einwohner gewinnen, dieser Gewinn aber nicht ausreicht, um die Wanderungsverluste gegenüber den Schwarmstädten auszugleichen. Diese Gruppe wird „Verstecke Perlen“ genannt. Während die Schwarmstädte praktisch gegenüber allen Städten und Gemeinden an Einwohnern hinzugewinnen, gewinnen die Wachstumsstädte und „Versteckten Perlen“ gegenüber einer Vielzahl an ausblutenden Städten und Gemeinden Einwohner, verlieren aber an die Schwarmstädte. Bei Wachstumsstädten ist der Saldo derzeit positiv, bei „Versteckten Perlen“ hingegen negativ. Zu den „Versteckten Perlen“ als Kristallisationspunkte in den ausblutenden Regionen zählen die elf Gemeinden Borna, Döbeln, Stollberg/Erzgebirge, Bautzen, Markranstädt, Eilenburg, Wurzen, Hohenstein-Ernstthal, Mittweida, Delitzsch und Bischofswerda.

Schrumpfungsregionen und ausblutende Gemeinden

Zu den Verlierern des Schwarmverhaltens zählen insgesamt 391 Gemeinden mit insgesamt rund 1,9 Mio. Einwohnern, die praktisch in alle Richtungen Einwohner verlieren. In diesen Schrumpfungsregionen wohnen derzeit 48 Prozent der Einwohner Sachsens. Verlierer sind mit der Ausnahme der Suburbanisierungsgemeinden um Leipzig und Dresden sämtliche Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern und 29 von 44 der Gemeinden zwischen 10.000 und 20.000 Einwohnern sowie die größeren Städte Hoyerswerda, Riesa, Grimma, Zittau, Limbach-Oberfrohna, Werdau, Coswig und Annaberg-Buchholz. Diese dürften weiter schnell schrumpfen.

Folgerungen aus den Studienergebnissen

Das Land Sachsen spaltet sich demografisch. In den wenigen Schwarmstädten steigt die Zahl der Einwohner in mehr als beeindruckendem Maße an. „Ein solch starkes und schnelles Wachstum von ausgewählten Städten in Deutschland hat es, abgesehen von der Flüchtlingswanderung zum Ende des Zweiten Weltkrieges, seit mehr als 100 Jahren nicht mehr gegeben“ fasst Prof. Dr. Simons abschließend zusammen.

Diese Bevölkerungsverschiebung im Raum zugunsten einiger, weniger Städte und zulasten aller anderen Gemeinden stellt sämtliche öffentlichen und privaten Leistungsanbieter vor erhebliche und neue Aufgaben. In den ausblutenden Regionen wird die dort vorhandene Infrastruktur – von Schulen über Abwassersysteme und Bürgerämter bis hin zum Wohnungsmarkt – immer weniger ausgelastet und dies in einer viel größeren Geschwindigkeit als bislang angenommen. Auf der anderen Seite reichen in den Schwarmstädten die Kapazitäten nicht aus: Die Wohnungsmärkte spannen sich an, die ausreichende Versorgung mit Kita- und Schulplätzen ist gefährdet, Bauämter müssen ihre Kapazitäten ausbauen, erhebliche Investitionen in die öffentliche und private Infrastruktur sind nötig. „Das Schwarmverhalten entwertet öffentliche und private Vermögen bei gleichzeitigem Investitionsbedarf. Die Landespolitik sollte versuchen, sich gegen diesen Trend zu stellen.“, so Prof. Dr. Simons.

Verbände fordern klare Positionierung der Politik

„Unsere Gesellschaft wird aufgrund der allgemein längeren Lebenserwartung und der bisher anhaltenden geburtenschwachen Jahrgänge immer älter. Der zu erwartende Pflegenotstand, die abnehmende Finanzkraft und der Wegbruch informeller Hilfesysteme werden in den nächsten Jahren gerade in ländlichen Regionen vermehrt an Brisanz gewinnen. Den Menschen so lang wie möglich ein Leben in der gewohnten und vertrauten Umgebung zu ermöglichen, gewinnt damit an gesellschaftlicher Bedeutung. Die Wohnung entwickelt sich immer stärker zum Gesundheitsstandort. Für den altersgerechten Umbau der Wohnung und der Ausstattung mit Assistenzsystemen werden Zuschüsse durch das Land benötigt. Nur mit Ehrlichkeit im Umgang, dezentralen Lösungen im ländlichen Raum sowie der ganzheitlichen Betrachtung von Quartieren können die Weichen für die nächsten Jahre gestellt werden, denn die Wohnungswirtschaft ist eine Branche, die immobil ist und für 10 bis 15 Jahre im Voraus planen muss. Die Landespolitik muss sich jetzt klar positionieren“, fordert Dr. Axel Viehweger, Vorstand des VSWG.

Auch Rainer Seifert, Direktor des vdw Sachsen Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V. mahnt an, jetzt die richtigen Konsequenzen aus der Studie zu ziehen. „In Leipzig und Dresden zeichnet sich ab, dass vor allem im Bereich der Sozialwohnungen Neubauten notwendig werden. Der vdw Sachsen spricht sich daher für die Neugründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft in Dresden aus. Doch auch in anderen Regionen und ländlichen Gebieten Sachsens brauchen wir Unterstützung für Sanierungen und den Um- und Neubau von Wohnungen, selbst wenn dort der Leerstand höher ist. Der Fokus sollte hier auf kinderfreundliche und gleichzeitig altersgerechte innovative Projekte mit individuellerem Charakter liegen. Dabei geht es vor allem darum, auch den Menschen ein passendes Zuhause zu bieten, deren Ansprüche sich verändert haben. Wenn es solche Angebote nur noch in den Ballungsräumen gibt, würde sich der Trend vom Wegzug und der Landflucht – auch von derzeit fest verankerten ganzen Familien und Leistungsträgern dieser Regionen – noch zusätzlich verstärken. Das muss verhindert werden.“

Die 217 im Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG) organisierten Wohnungsgenossenschaften sind ein bedeutender Faktor im sächsischen Wohnungsmarkt. Sie bewirtschaften mit insgesamt 275.141 Wohneinheiten 20,6 Prozent des gesamten Mietwohnungsbestandes im Freistaat Sachsen und bieten damit rund einer halben Million Menschen ein zukunftssicheres Zuhause. Als Unternehmen erwirtschaften sie mit den jährlichen Umsatzerlösen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro einen Anteil von 1,1 Prozent am sächsischen Bruttoinlandsprodukt und sind für rund 2.500 Mitarbeiter, 53 Auszubildende und 20 Studenten ein verlässlicher Arbeitgeber und sichern gleichzeitig Aufträge sowie Arbeitsplätze in vielen weiteren, die Wohnungswirtschaft flankierenden Branchen. Der VSWG hat seinen Sitz im Verbandshaus in Dresden und ist gesetzlicher Prüfungsverband sowie Fach- und Interessenverband für die im Bundesland Sachsen ansässigen Wohnungsgenossenschaften. Zu seinen Aufgaben zählen unter anderem Information, Beratung sowie Aus- und Weiterbildung der Mitglieder. Zudem übernimmt der Verband die gemeinschaftliche Interessenvertretung der Mitglieder in der Öffentlichkeit.

Ein Verband ist so stark, lebendig und vielfältig wie seine Mitglieder. Der vdw Sachsen Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V. vertritt 126 Wohnungsunternehmen, die mit rund 316.000 Wohnungen etwa 23,7 Prozent des Mietwohnungsbestandes in Sachsen bewirtschaften. Lebendig sowie vielfältig sind die kommunalen und genossenschaftlichen sowie privaten und kirchlichen Wohnungs- und Immobilienunternehmen mit unterschiedlichsten Geschäftsmodellen. Sie profitieren von einer starken, verlässlichen Gemeinschaft. Der Verband ist zudem stolz auf seine Anzahl von 20 Fördermitgliedern. Durch diese mit der Immobilienwirtschaft verbundenen Unternehmen anderer Branchen werden wichtige Schnittstellen geschaffen und Synergieeffekte möglich. Mit einem leistungsstarken Team gut vernetzter Spezialisten nimmt der Verband Einfluss auf wichtige politische Entscheidungen und prägt das Bild der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft im Freistaat Sachsen mit.

Zur Studie:

Schwarmverhalten_in_Sachsen (2110 Downloads)

 

Zur Pressemitteilung:

PM_Studie_Schwarmverhalten in Sachsen (693 Downloads)